fotos: michael klingler

brunnengräber

brunnengräber, 2000, siebdruck auf glas, 72 x 72 cm

Die Arbeit „Gräberbrunnen“ steht im Spannungsfeld zwischen künstlerischem Ausdruck von räumlicher Wahrnehmung, konstitutiven Überlegungen und dem sprachlichen Konstruktivismus in der Lyrik des Paul Celan, dessen Schriften Grüner als Ausdruck existentieller Erfahrungen, als eine Form intellektuelle Korrespondenz versteht. Der Künstler experimentiert mit der Erweiterbarkeit von Raumbegriffen, mit immateriellen Bezugspunkten außerhalb des oberflächlich Sichtbaren sowie mit Analogien und Metaphern innerhalb geometrisch dargelegter Bezugssysteme. Resultat der Überlegungen ist ein artifizieller Korpus an der Grenze zwischen Bild und Objekt. Rückwand, bedruckte Glasplatten und Rahmen bilden zusammen ein Behältnis, ein dreidimensionales einsichtiges Etui – die physikalische Schwere des Materials steht als Metapher für substantiellen Gehalt. Als zentrale Aspekte der Arbeit wirken Kontraste zwischen Leerstellen und dichten monochrom bedruckten Farbflächen, Differenzen von Sichtbarem und nicht Wahrnehmbarem und daraus resultierende, irritierende Mehrschichtigkeiten, implizierte wandelbare Raumsysteme, Interferenzen sowie optische Durchdringungen und Wandlungen. Brechungen und Zerlegungen in Kommunikation mit Umfeld und BetrachterIn erweitern das mögliche Spektrum der Wahrnehmung. Grüner beschreibt seinen widerständigen Geist als Basis aller Entwicklungen – die Formfindung ermöglicht ihm Bewegung und Wachstum.
Elisabeth Krabichler, MA


kehlungen

kehlungen, 2000, siebdruck auf glas, 72 x 72 cm

Im Objekt „Kehlungen“, aufgebaut aus hintereinander gestaffelten Siebdrucken auf Glas, überwindet Grüner die Grenzen zwischen Fläche und Raum, über repetitive Inszenierung grafischer Elemente und die damit entstehende rhythmische Struktur formt sich ein dreidimensionaler Ressort, ein Denkraum, eine Spielwiese von Bezügen. Zeichenhaft linear explizit innerhalb des körperhaften Objektrahmens lesbar. Grüner arbeitete über Jahre mit dem Trägermaterial Glas, dessen physikalische Eigenschaften er als zentrale artifizielle Ausdrucksmittel nutzte. Spiegelungen des Werkstoffs suggerieren erweiterbare Erfahrungsebenen, das Umfeld bzw. die BetrachterIn werden zu MitgestalterInnen: Reflektionen werden wirksam, Selbstbetrachtungen der RezipientIn sind integrative, symbolische Zusatzmotive, durch Überlagerungen entstehen optische Brüche, Bewegungsmomente erzeugen zusätzliche Reize. Der imaginierte Raum erfährt Ausdehnung, unterschiedliche semantische Ebenen werden aktiviert. Die puristische Formensprache, Abwesenheit von Details, formale Schlichtheit und das zurückgenommene Kolorit stehen in deutlichem Gegensatz zu der über Interaktion entstehenden Dichte des Objekts. Über die bewusste Ausformulierung geometrischer Elemente, speziell über die Inszenierung quadratischer Objekte, stellt sich Grüner in eine bedeutsame Reihe kunst- bzw. geisteswissenschaftlicher Erkenntnisse.
Elisabeth Krabichler, MA

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